Nachdem die Regierung der derzeitigen Anti-Atomkraft-Stimmung in Deutschland einige ältere Atommeiler opfern musste, forciert die gelb-schwarze Koalition jetzt den Ausbau des Stromnetzes, um die Einspeisung von Ökostrom ins Netz zu erleichtern. 3.600 Kilometer neuer Stromleitungen sind dafür nötig, wie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle jetzt bekannt gab. Höhere Strompreise sollen damit allerdings nicht einhergehen – eine Aussage von Kanzlerin Merkel, die durch Brüderle jetzt nochmals bestätigt wurde. Der Einfluss den die Regierung auf die Preisentwicklung in dem Segment hat, ist allerdings nicht so groß, dass sie dies wirklich verbindlich ausschließen könnte. Heute wird der Wirtschaftsminister das neue „Netzausbaubeschleunigungsgesetz“ offiziell vorstellen. Darin sollen die notwendigen Strecken ausgewiesen und für den Bau reserviert werden. Dann können beispielsweise geplante Windräder an der Ost- und Nordseeküste an das Deutschlandweite Stromnetz angeschlossen werden. Betroffene Ortschaften müssen diesen Ausbau des Stromleitungsnetzes „im Interesse des Gemeinwohls“ akzeptieren, werden aber dafür finanziell entschädigt. Die Grünen warfen der CDU vor, bisher die Modernisierung des Stromnetzes gebremst zu haben und jetzt gegen den Willen der Bevölkerung zu handeln, die zu großen Teilen gegen den Netzausbau ist. Überlandleitungen sind bereits jetzt völlig veraltet. Statt dessen sollte verstärkt auf Erdkabeltechnologie gesetzt werden – eine Position, die so auch von der SPD vertreten wird. SPD-Chef Sigmar Gabriel empfiehlt, zumindest einen Teil der geplanten neuen Leitungen unterirdisch zu verlegen. Positiv in der derzeitigen Debatte ist, dass sich der Wirtschaftsminister erstmals zu den Bedingungen geäußert hat, die erfüllt sein müssen, wenn die Atomkraftwerke dauerhaft abgeschaltet werden sollen. Während dessen versucht Kanzlerin Merkel weiterhin mit Versprechen über einheitliche „Sicherheitsstandards“, die Atomenergieerzeugung für Deutschland zu retten. Wie sich die Energiegewinnung in den nächsten Jahren in Deutschland entwickelt, wird wohl stark vom Wählerwillen abhängen und davon, inwieweit die Bevölkerung in der Lage ist, diesen auch zu transportieren. Es ist wohl keine Übertreibung fest zu stellen, dass sich in den nächsten Monaten entscheidet, welche Form der Energiegewinnung langfristig in Deutschland dominieren wird.